Instagram: https://www.instagram.com/pff_vienna/
Facebook: https://www.facebook.com/pffvienna
Twitter: https://x.com/pffvienna
Interview with Jasmin Hagendorfer and Yavuz Kurtulmus
Warum macht Ihr das Porn Film Festival Vienna?
Yavuz
Weil wir Porno lieben und weil es so wichtig ist, darüber zu reden. Gemeinsam Pornos zu schauen oder sich nicht dafür zu schämen und sich zu öffnen. Mit anderen Gleichgesinnten zusammenzukommen, sich auszutauschen. Bei meiner eigenen Entwicklung als queere Person war sehr wichtig über Sexualität zu reden.
Jasmin
Ich glaube, wenn man das ein bisschen auf Festival Ebene betrachtet würde ich sagen: Für ein Thema, das zur groß in Gesellschaft eigentlich präsent ist, ist es super wichtig, dass es einen Raum für Reflektion gibt. Ich sage immer das blöde Beispiel: Letztendlich fast jeder Spielfilm hat eine Sexszene. Du schlägst ein Beauty-Magazin auf und siehst halbnackte, zumeist Frauenkörper. Also man sieht schon, dass das Thema Porn sehr präsent in unserer Gesellschaft ist und von daher ist es wichtig, diesen Raum zu geben, zu rezipieren etc. Ich denke, auf einer persönlichen Ebene würde ich sagen, wir haben sehr viel gelernt in diesen sieben Jahren. Also wir haben viel über uns gelernt, über unsere Körper, unsere Bedürfnisse.
Yavuz
Unsere Grenzen.
Jasmin
Genau, auch unsere Grenzen. Ich glaube, man lernt das zu schätzen, wenn man nicht „genormte“, ich sage das jetzt extra mit Anführungszeichen, Körpermaße hat, wie es einem die Mainstream Pornoindustrie eigentlich immer hin knallt. Das tut schon gut, mal ältere Körper, dickere Körper und alles Mögliche zu sehen. Also das Wort Diversität reicht ja hier von … bis. Und ich glaube, das normalisiert auch irgendwie ein bisschen das Eigenbild und Selbstbild. Mir hat es schon geholfen, einige Issues zu überwinden, würde ich sagen.
Was ist Euer kuratorischer Ansatz?
Jasmin
Das Wichtigste ist Ausgeglichenheit, dass wir alles mögliche an Produktionen mit dabei haben. Das sind einerseits sehr High-End produzierte Filme, die wirklich ein Riesenbudget haben. Das gibt es ja auch in der Indie-Porn Szene. Also natürlich gibt es auch Produktionen mit Geld, aber genauso wollen wir DIY-Produktionen zeigen, Experimentalfilme, die vielleicht mit der Handycam gefilmt wurden. Das ist schon mal wichtig, beides abzubilden dass es ein diverses Programm ist.
Wir würden gerne zum Beispiel mehr ältere Körper sehen, wir würden gern irgendwie ehrliches, lustvolles Miteinander sehen. Dann muss man schon das Feeling haben, politische Statements, wir wollen halt alles außerhalb eines Mainstream-Porns sehen.
Yavuz
Du hast das schon gut zusammengefasst. Die Vielfalt ist uns sehr wichtig, die Gesellschaft ist auch so vielfältig. Genau das wollen wir auch widergeben und ich glaube, das schaffen wir mittlerweile sehr gut.
Jasmin
Es sind uns ja auch Grenzen gesetzt. Wir können nur zeigen, was auch bei uns eingereicht wird. Das ist schon mal ganz wichtig. Also reicht mehr ein, dann kann mir transportiert werden. Aber es ist natürlich jedes Jahr eine Herausforderung. Es kommt ja schon sehr viel Gutes zu uns. Ich glaube, wir haben so eine guttrainierte Bubble, dass schon sehr zielgerecht eingereicht wird. Da geht es dann eher darum, ein bisschen auszuschließen, weil man nicht Platz für alles hat.
Was ist für euch der Unterschied zwischen Post-Porn und sogenannter Mainstream-Pornografie?
Jasmin
Grob gesagt ist Post-Porn eigentlich alles außerhalb einer mainstreamig abgebildeten Sexualität in der Pornografie. Alles, was ein bisschen die Gegenbewegung ist. Gegenkultur ist alles, was nicht-binäre Sexualität abbildet. Ich denke, das kann sehr, sehr vieles umfassen. Die Grenzen sind aber schon ein bisschen schwimmend. Genauso die Frage was ist Kunst, was ist Porno? Auch da wird es sehr schwierig werden. Wichtig ist: Mainstream muss ja auch nicht schlecht sein. Das möchte ich auch nochmal betonen. Es gibt sehr viele mittlerweile sehr gute Produktionsbedingungen in sehr vielen Ländern. Das muss man sehr individuell betrachten. Trotzdem, wenn man sich die Masse des Mainstreams ansieht, und das macht ja trotzdem noch fast 40 % des gesamten Internet-Traffics aus, und davon sind so ein paar Prozent Fünkchen wahrscheinlich dann alternative Pornografie.
Trotzdem möchte man, dass sich all diese Dichotomien der Binäritäten auflösen. Dass da nicht nur ‘Mann/Frau’-Denken ist. Dass da nicht so viele misogyne und diskriminierende Handlungen drin sind. Porn ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Also Mainstream Porno ist für mich immer ein Spiegel der Gesellschaft. Alles was in der Gesellschaft passiert wird sich natürlich im Porno transportieren.
Yavuz
Aber nicht nur im Mainstream sondern das ist mittlerweile auch bei unseren Alternativen. Das sahst Du ganz besonders an der Pandemie. Also da waren die Pornos, die eingereicht wurden, sehr mit Covid-Thematiken. Je nachdem was in der Welt passiert, das sehen wir auch bei uns.
Jasmin
Es gibt ja keinen zusammengefassten Begriff irgendwie. Also Post-Porn ist schon schwierig zu labeln. Was genau bedeutet ethische Pornografie? Fair Trade, oder wie immer man das nennen will, ist sehr, sehr schwierig und dazu sind das auch noch sehr schwammige Begriffe. Trotzdem ist wichtig, sich zu informieren: wie wurde produziert, wo ziehe ich mir diese Filme rein? Ich glaube, bei uns geht es im Festival viel um Aufklärung. Wir zeigen einfach mal als Plattform: Was gibt es denn überhaupt alles? Wahrscheinlich könnte man sagen, dass das Meiste in unserem Festival Post-Porn ist. Das überlassen wir aber auch den Filmemachern und Filmemacherinnen, das zu definieren. Das ist unser Ansatz: einfach mal ein Tableau zu zeigen, ein Potpourri ‘was ist alles möglich? Such es Dir doch einfach aus.’
Welche ethischen Ansprüche habt ihr? Oder was würdet ihr nicht zeigen?
Yavuz
Wir zeigen sehr wenig ‘Mainstream-Mainstream’. Also das was auf Pornhub oder auf diesen größeren Plattformen ist, wird bei uns nicht gespielt, hätte auch nicht wirklich Platz bei uns. Wie Jasmin schon gesagt hat, schauen wir schon darauf wie es produziert wurde. Woher kommt der Film? Sind alle damit einverstanden? Also wenn wir uns nicht sicher sind, fragen wir immer nach. Gibt es alle Genehmigungen? Ich kenne das von meinen eigenen Filmen, wo ich wirklich mit allen reden muss, vorher genau aufklären muss. Das machen wir auch beim Festival. Es wird nicht genau alles kontrolliert, trotzdem schauen wir bei den Filmen schon, ob alle damit einverstanden sind. Aber auch bei den Workshops und beim gesamten Festival schauen wir, dass das alles sehr ethisch läuft.
Jasmin
Bei den Einreichungen, nicht bei dem, was wir zeigen, sind Dingendabei, wo man wie aus einem sehr männlichen Blick Pornografie sieht. Da hat man schon schnell ein Gespür dafür. Und das wollen wir natürlich auslassen. Ich meine, davon gibt es eh genug. Das brauchen wir nicht wirklich, sondern wir schauen, dass halt wirklich ein Gefühl dafür da ist, das alle Leute da im Zentrum stehen. Dass man die Lust von allen irgendwie spürt, dass das auch gut und gerecht irgendwie schön verteilt ist. Aber natürlich ist sehr viel ehrlich gesagt Recherche. Daran würde ich das immer festmachen. Man muss sich einfach informieren, wer sind die Kollektive, mit denen ins Reden kommen, nachfragen, wie Yavuz es sagt. Wenn man sich nicht sicher ist, was mit dieser Produktion gemeint ist, auf was wollen die Leute hinaus? Ist es ironisch oder nicht? Und dann kann man es auch guten Gewissens zeigen. Aber wir fordern auch ein bisschen heraus. Das ist wichtig. Unser Publikum muss da auch durch, manchmal, das finde ich auch gut so.
Welche Bedeutung hat das Festival für Filmemacher_innen?
Jasmin
Wir bieten einfach eine Plattform, um sich mal überhaupt zu zeigen. Denn gerade in der alternativen oder DIY Pornografie hast du halt nicht so viel Platz. Wo zeigst Du Deine Werke, die da entstehen, überhaupt? Da wir sind mal eine Plattform, in erster Linie. Also Sichtbarkeit auf jeden Fall.
Yavuz
Ein guter Platz zum Netzwerken für viele, zusammen kommen, neue Filme auf die Beine stellen.
Jasmin
Dass sich da Dinge verschränken, neue Projekte entstehen. Alles möglich ist schon passiert. Es wurde gedreht schon, also nicht auf dem Festival, aber rund um das Festival. Austausch, Sichtbarkeit des eigenen Werkes ist auf jeden Fall da. Wir versuchen, so viel wie möglich Q&As zu bieten, dass die Filmemacher_innen auch die Chance bekommen, sich dem Publikum zu zeigen, zu öffnen und da Fragen transportieren zu können, und zu beantworten. Denn es gibt sehr viele Fragen, die dann meistens auftauchen.
Stichwort Netzwerken. Wie ist das. Wie netzwerkt Ihr mit anderen Festivals und Produktionsfirmen usw.?
Yavuz
Wir besuchen ja auch selber Festivals in ganz Europa, schauen uns dort die Filme an, die Programme, tauschen uns mit den Festival-Leitungen aus. Was passiert, was tut sich, was sind so die Programme. Aber auch mit vielen Filmemacher_innen schreiben uns. Aber auch während dem Festival gibt es mehrere Veranstaltungen, wo man dann zusammen kommt, wo wir die Leute zusammenbringen wollen, dass sie sich untereinander austauschen können.
Auch unterm Jahr gibt es immer wieder sehr viel Mail-Verkehr, Austausch über Social Media usw., man folgt sich gegenseitig sehr intensiv.
Jasmin
Es gibt ja jedes Jahr ein Festival im Fokus, wo wir uns ein Partnerfestival holen, die dann eine Schiene kuratieren lassen und dann im Gegenzug auch bei denen sichtbar sind. Aber wir haben auch schon den Industry Day zum Netzwerken gehabt. Dieses Jahr haben wir als erstes alternatives Festival die Porn Gala gemacht, sowas wie die Porn-Oscars für Alternativen Porno oder Post-Porn.
Und wie finanziert Ihr das Ganze?
Yavuz
Wir werden von der Stadt Wien und vom Bundesministerium für Kultur finanziert, wir haben einige kleine Sponsoren, die uns unterstützen und sonst durch Ticketeinnahmen. Wir sind ein ehrenamtlicher Verein. Das Core-Team, aber auch die ganzen Freiwilligen beim Festival sind alle ehrenamtlich tätig. Also ohne die Förderung sind wir auch verloren und wir gehören zu den ersten Porno Festivals in Europa das durch Stadt und Bundesministerium finanziert wurde. Da sind wir sehr stolz drauf und das funktioniert sehr gut. Also ich glaube, die sehen auch, wie wichtig das Festival ist. Es hat lange gedauert, bis die Leute auch verstanden haben, dass wir da nicht zusammenkommen, um Orgien zu machen. Nicht nur – das machen wir auch – aber es ein wichtiger Safe Spaces, wo wir uns austauschen können.
Jasmin
Und mittlerweile sehen es unsere Fördergeber auch wirklich als Bildungsauftrag, den wir weitergeben können. Wir haben zum Beispiel auch schon mit der Stadt Salzburg gemeinsam mit Schulen zusammen gearbeitet. Wir versuchen das Projekt nicht nur auf die Festivalzeit zu sehen, auf ein paar komprimierte Tage, sondern es auszudehnen auf das ganze Jahr. Es gibt immer wieder diese Porn-Nights, wo man das Programm nochmal sehen kann unterm Jahr.
Yavuz
Auch die Unis sind gute Unterstützter. Die Uni Wien hat uns schon gesponsert und sehr viele unterschiedliche Bereiche der Unis fördern uns.
Jasmin
Ja, auch die ÖHs [Huchschulvertretungen] fördern uns. Unsere Förderungen sind öffentlich einsehbar, so kann sich jeder ein Bild davon machen. Aber wie gesagt, wir sind sehr froh, dass diese Arbeit funktioniert hat mit unseren Fördergeben. Es war ein sehr langwieriger Prozess, dass wir hier hin gekommen sind.
Yavuz
Es schaut immer nach mehr aus als es ist. Aber wir haben sehr, sehr gute Netzwerke mittlerweile. Ich mache auch schon seit längerem Film-Festivals, wo ich viel Vorarbeit geleistet habe und wo ich mich zumindest der queeren Szene sehr gut vernetzt habe und so darauf immer zurückgreifen kann und die Netzwerke nutzen kann.